Zu den meistdiskutierten Phänomenen in der deutschen Bundesliga gehört zweifelsohne der sogenannte „Bayern-Bonus“. Der Vorwurf der Fans aller deutschen Vereine außer dem FC Bayern München: Die Bayern genießen einen besonderen Schutz, ja nachgerade eine Unterstützung durch die Schiedsrichter. Fällt ein Bayernspieler im gegnerischen Strafraum, dann gibt es sofort Elfmeter; im Strafraum der Bayern kann dagegen nach Belieben und folgenlos gezogen und getreten werden. Wer gegen Bayern spielt, sieht für ein gelbwürdiges Foul gerne mal Rot, wer für Bayern spielt dagegen auch für klar rotwürdige Fouls schlimmstenfalls Gelb. Und führen die Bayern dann am Ende der 90 Minuten knapp, wird sofort abgepfiffen; liegen sie hingegen knapp zurück, wird das Spiel so lange verlängert, bis sie endlich zum Ausgleich treffen.
Bayernfans und -funktionäre bezweifeln diese Sicht naturgemäß, schieben sie auf Neid und Missgunst und behaupten, einzelne Fehlentscheidungen glichen sich im Laufe einer Saison aus, würden in der Endabrechnung also keine Rolle spielen. Der frühere Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß, verstieg sich sogar zu der Aussage, Schiedsrichter würden im Zweifelsfalle eher gegen Bayern entscheiden, um Ärger aus dem Weg zu gehen. Wer hat nun recht?
Das ist überraschend eindeutig belegt: Eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Studien hat in den letzten Jahren zweifelsfrei bewiesen, dass der Bayern-Bonus tatsächlich existiert.
In der Saison 2008/2009 verglich ein Arbeitspapier der Uni Münster, wie oft die Bayern und ihre damaligen Tabellennachbarn Hertha BSC und VfB Stuttgart jeweils von klar falschen Schiedsrichterentscheidungen profitierten. Ergebnis: In fünf verglichenen Kategorien – Elfmeter, Gelbe bzw. Gelbrote Karten, Rote Karten, Freistöße und Eckstöße – profitierte Bayern München signifikant häufiger von Fehlentscheidungen als die anderen beiden Teams[i].
Bestätigt und vertieft wurde diese Erkenntnis durch eine große Studie der Frankfurt School of Finance & Management, die Schiedsrichterentscheidungen aus den Jahren zwischen 2000 und 2014 verglich. Auch hier zeigte sich, zur Überraschung der Wissenschaftler, eine gewaltige Bevorzugung der Bayern, die alle anderen Boni – etwa den ebenfalls nachgewiesenen Heimbonus – weit übertraf[ii]. „Wenn wir uns Spiele von Bayern München anschauen - und dabei Elfmeter und Tore, die nicht gegeben wurden, die man aber hätte geben müssen - dann stellen wir fest, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es den Gegner der Bayern betrifft, um rund 40 Prozent größer ist, als dass es Bayern München selbst betrifft“, erklärte der an der Studie beteiligte Prof. Dr. Eberhard Fees[iii].
Und zu guter Letzt belegten die Statistiker des Datenanbieters Opta 2017 zumindest für die damals laufende Saison 2016/2017 den Vorwurf der Bevorzugung Bayern Münchens durch passende Nachspielzeit: Die Durchschnittsnachspielzeit der Saison betrug 3:01 Minuten. Führte Bayern München in der 90. Minute, gab es im Schnitt nur 2:17 Minuten Nachspielzeit, lag der Rekordmeister dagegen zurück, wurden im Schnitt 4:06 Minuten nachgespielt[iv].
Eine Bevorzugung Bayern Münchens durch Schiedsrichterentscheidungen existiert also tatsächlich. Über die Gründe kann nur spekuliert werden, wahrscheinlicher als Verschwörung und Bestechung erscheint den meisten Experten aber ein unterbewusster psychologischer Effekt: Da der Schiedsrichter nicht entscheidend für den Ausgang des Spiels sein will, hilft er unterbewusst eher der Mannschaft, von deren Sieg er ohnehin ausgeht.
Nebenbei belegen die Daten jedenfalls, dass auch der alte Spruch „Fehlentscheidungen gleichen sich im Laufe der Saison aus“ falsch ist. Der basiert schließlich auf der ohnehin blauäugigen Vorstellung, dass alle Mannschaften am Ende der Saison etwa gleich häufig durch Fehlentscheidungen bevorzugt und benachteiligt wurden, so dass diese keinen Effekt haben. Die deutliche Bevorzugung Bayerns zeigt, dass das definitiv nicht der Fall ist.
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