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IRRTUM: Je mehr Fans im Stadion sind, desto besser für das Heimteam

 

Vor wichtigen Spielen werden die Zuschauer oft aufgerufen, in besonders großer Zahl ins Stadion zu strömen. Denn wenn die Anwesenheit von Fans ein Team stärker macht, dann bedeuten noch mehr Fans ja wohl ein noch stärkeres Team. Oder? Eine ganz andere Erfahrung machte die Nationalmannschaft von Singapur 2002 als Gastgeber der Südostasienmeisterschaft. Vor dem Eröffnungsspiel gegen den Erzrivalen Malaysia hatte eine lokale Zeitung die Menschen dazu aufgerufen, in Massen ins Stadion zu kommen, um die Mannschaft zu unterstützen. Doch Singapur unterlag vor ausverkauftem Haus mit 0:4 – und die Spieler beklagten sich später, die lautstarke Kulisse hätte sie verunsichert. Kein Einzelfall.

Wie wir demnächst in einem Extra-Artikel sehen werden, ist der Einfluss der Fans im Stadion auf das Ergebnis wesentlich weniger bedeutend als gemeinhin angenommen. Eine Ausnahme aber gibt es: Wenn sich ungewöhnlich viele Fans im Stadion befinden, sinken die Chancen der Heimmannschaft. Ja, richtig gelesen: Die Massen im Stadion bei einer wichtigen Partie sind ein Nachteil!

Man bezeichnet dieses Phänomen als choking under pressure, „Am Druck ersticken“. Vermutlich blockiert die große Erwartungshaltung der zahlreichen Fans die Spieler und vermindert ihre Leistung. In der Bundesliga ist das choking under pressure klar nachzuweisen. So untersuchte der Sportpsychologe Bernd Strauß mehr als 10 000 Bundesligaspiele – mit dem Ergebnis: Je mehr Zuschauer im Stadion, desto schlechter das Resultat aus Sicht der Heimmannschaft. Normalerweise gewinnen Heimteams etwa 60% der Bundesligaspiele; Partien mit überdurchschnittlich vielen Zuschauern gehen aber nur noch zu etwa 40% an die Gastgeber[i].



[i] Hars 2005, S. 146f.

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