Es ist nicht einfach nur eine Stammtischbehauptung, sondern offizieller Standpunkt des DFB, der auch auf der Website des Verbandes mehrfach bekräftigt wird: Mädchen profitieren fußballerisch davon, möglichst lange am Jungenfußball teilzunehmen. Zunehmend wird daher das gemischte Spiel gefördert und für Mädchen und Frauen immer mehr vereinfacht, auch länger als früher möglich in Jungen- und Herrenmannschaften zu spielen. Aber auch in der breiten Bevölkerung hält sich diese Ansicht beharrlich, und viele Trainer und Fußball-Eltern meinen die Erfahrung gemacht zu haben, dass Mädchen, die lange in einer Jungenmannschaft trainiert und gespielt haben, schneller, härter, mutiger und rundherum besser sind.
Überraschend belegte eine ausführliche Studie des Nachwuchsförderzentrums der Juniorinnen an der Universität Würzburg 2018, dass diese Ansicht falsch ist. 370 Spielerinnen mit unterschiedlichen Ausbildungswegen wurden auf ihre fußballbezogenen Kompetenzen und deren Entwicklung in Mädchen- und in Jungenteams getestet. Das Ergebnis: Es gab keinen Unterschied! Ob ein Mädchen bei den Jungen oder bei den Mädchen trainierte und spielte, hatte keinerlei Einfluss auf die sportliche Entwicklung[i].
Ist es also egal, ob ein Verein ein Mädchenteam anbietet oder seine Mädchen zu den Jungs steckt? Nein. Denn die Würzburger Studie zeigte auch: Wichtig ist, wie lange eine Spielerin Fußball spielt und wieviel Spielerfahrung sie bereits gesammelt hat. Und: Bietet ein Verein nur Jungenteams bzw. „gemischte“ Mannschaften an, ist das eine große Hemmschwelle für Mädchen, die sie davon abhält, in den Verein einzutreten[ii]. Sie kommen daher später zum Fußball als sie gekommen wären, wenn es ein Mädchenteam gegeben hätte – oder gar nicht. Von der Praxis, Mädchen in Jungenteams spielen zu lassen, profitieren die Mädchen individuell also nicht, während der Mädchen- und Frauenfußball insgesamt sogar Schaden nimmt!
Bleibt zuletzt noch die Frage, warum der Glaube an die Vorteile von Mädchen in Jungenteams so verbreitet ist. Eine Rolle dürfte dabei ein klassischer Denkfehler spielen, die Swimmers Body Illusion (Schwimmerkörper-Illusion). Hierbei wird ein Auswahlkriterium mit einem Ergebnis verwechselt. Das bedeutet in diesem Fall: Ein Mädchen, das sich traut, in eine Jungenmannschaft einzutreten, und es dann auch schafft, sich dort durchzubeißen, erreicht das, weil es von vornherein schneller, härter, mutiger ist als andere Mädchen. Diese Eigenschaften sind kein Ergebnis der Zeit bei den Jungs, sondern die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt zu einer Zeit bei den Jungs kam…
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