Weit verbreitet ist im Fußball die Annahme, es sei in einer Pokalrunde mit Hin- und Rückspiel (wie es sie zum Beispiel in der Champions League gibt) ein großer Vorteil, erst das Auswärtsspiel zu bestreiten, um anschließend in der entscheidenden Partie daheim anzutreten. Die Logik: Mit dem Heimvorteil im Rücken könne man ein nicht so gutes Hinspielergebnis leichter herumreißen. Zudem kann es nur im Rückspiel zu Verlängerung und Elfmeterschießen kommen – die Mannschaft, die das zweite Match vor heimischem Publikum spielt, hat also potentiell mehr vom Heimvorteil.
Auf den ersten Blick scheinen die Daten diesen alten Mythos sogar zu bestätigen, denn sie belegen immerhin einen kleinen Vorteil: Etwa in 57% der Fälle kommt die Mannschaft mit dem Rückspiel daheim in die nächste Runde. Auch der in diesem Blog so oft zitierte Roland Loy ging dieser Statistik auf den Leim und bescheinigte der Behauptung vom vorteilhaften Heim-Rückspiel in seinem Lexikon der Fußballirrtümer Korrektheit[i]. Aber die Statistik ist falsch – um aussagekräftig zu sein, muss sie erst um einen verzerrenden Faktor bereinigt werden.
Denn in der Champions League und den verschiedenen anderen Europapokalen wurde und wird das Heimrecht im Rückspiel in der ersten Runde nach der Vorrunde (in der Champions League also im Achtelfinale) als Belohnung betrachtet: Wer seine Gruppe gewinnt, bekommt automatisch ein Rückspiel zu Hause. Wer „nur“ als Gruppenzweiter weiterkommt, muss also gegen einen Gruppenersten antreten und zuerst zuhause spielen. Für die Statistik bedeutet das: Die potentiell stärkere Mannschaft, die ohnehin die besseren Chancen aufs Weiterkommen hätte, bekommt auch das Rückspiel-Heimrecht, was die Statistik verschiebt.
In neueren Studien, zum Beispiel der Universität München von 2010[ii] und der Universität Gent von 2019[iii], wurden daher diese ersten K.O.-Runden ignoriert und nur jene Partien berücksichtigt, in denen die Reihenfolge der Heimspiele zufällig gelost worden war. Und siehe da: Der vermeintliche Vorteil des Rückspiels daheim verschwindet, die Mannschaften mit diesem „Bonus“ kommen nur in 50% der Fälle weiter.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen