Jedes große Fußballturnier bringt mindestens ein Sammelsticker-Album mit sich, früher stets von Panini, heute oft vom Konkurrenten Topps. Und jedes Jahr beklagen sich die Fans. Denn während man die polnische Nationalmannschaft nicht nur bereits komplett, sondern sogar in dreifacher Ausführung gesammelt hat, wollen aus den Tütchen einfach keine Brasilianer auftauchen. Selbst Costa Ricas Stürmerstar Joel Campbell machte diese Erfahrung, als er vor der WM 2014 100 Tütchen mit je fünf Klebern kaufte, um das eigene Konterfei zu ergattern – vergeblich.
Da entstehen schnell Verschwörungstheorien, und so wird den Stickerproduzenten vorgeworfen, bestimmte Bilder absichtlich seltener herauszugeben, damit der Sammler mehr Geld ausgeben muss. Paninis offizieller Standpunkt dazu ist hingegen, dass alle Sticker genau gleich häufig gedruckt werden und somit die Chance auf jeden Sticker identisch ist.
Wer hat nun recht?
Von einer endgültigen Klärung dieser Frage sind wir noch weit entfernt, aber eine Untersuchung des Magazins SPIEGEL und der Tauschplattform stickermanager.com im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2014 lässt vermuten: Beide Seiten haben Unrecht!
Sammler aus ganz Deutschland tippten auf der Plattform ein, welche Sticker des Sammelheftes zur WM in Brasilien sie besaßen – und wie oft. Insgesamt wurden so 8,33 Millionen Sticker erfasst, und die Verteilung war keinesfalls gleichmäßig. Etwa zwei Drittel der 640 verschiedenen Sticker wurden je zwischen 10.700- und 12.000mal erfasst; das übrige Drittel aber war weitaus häufiger: Diese Sticker tauchten jeweils mehr als 15.000mal auf. Der häufigste Sticker, Italiens Torwart Gianluigi Buffon, wurde 21.281mal in die Datenbank eingegeben und war damit fast doppelt so häufig vertreten wie ein „normaler“ Sticker. Eine weitere interessante Erkenntnis: Alle 200 häufigen Sticker waren Spielerporträts – kein einziges Team- oder Stadionfoto, kein Mannschaftswappen und keiner der Glitzersticker von der ersten Seite des Albums kam besonders häufig vor. Und alle häufigen Spielerporträts gehörten zu den zwölf gleichen Nationalmannschaften: Deutschland, Italien, Frankreich, Portugal, Argentinien, Japan, Kroatien, Mexiko, Ghana, Griechenland, Kolumbien und der Elfenbeinküste. Von den übrigen zwanzig Turnierteilnehmern häuften sich auch keine Spielerporträts.
Der Mathematik-Professor und Stochastik-Experte Christian Hesse von der Universität Stuttgart bestätigte dem SPIEGEL, dass der Zufall bei einer solchen Verteilung praktisch ausgeschlossen sei: „Die starken Variationen bei den Stickeranzahlen sind nicht mit einer Gleichverteilung aller Bilder vereinbar.[i]“
Also werden die Sammler von Panini doch betrogen? Vermutlich nicht. Unabsichtlich brachte der Stickerproduzent die Journalisten selbst auf die mögliche Lösung des Rätsels: PR-Fotos von der Herstellung der Sticker zeigten die Druckbögen, aus denen die Sticker am Ende herausgestanzt werden. Auf jedem dieser Bögen befinden sich… 200 Sticker. Und zwei der Fotos zeigten einen dieser Bögen, auf dem sich genau die 200 gehäuft auftauchenden Sticker befanden[ii]. Kann das Zufall sein?
Wohl kaum. Offenbar sind Sticker dieses Bogens häufiger auf den deutschen Markt gelangt als solche von den übrigen Bögen. Wenn die Behauptung von Panini stimmt, dass alle Bögen gleich häufig gedruckt werden, wäre demnach wahrscheinlich, dass sich in anderen Ländern andere Sticker häufen; entsprechende Daten wurden bisher nicht erhoben.
Die Ursache für die Ungleichverteilung könnte demnach einfach ein Logistikfehler bei Panini gewesen sein – oder auch „gute“ Absicht: Möglicherweise wollte man den deutschen Sammlern mehr deutsche Sticker zukommen lassen… Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass stickermanager.com zusätzlich Daten aus der Schweiz auswertete. Dort wurde damals eine Sonderedition der Sticker vertrieben, so dass diese Sticker tatsächlich ausschließlich in die Schweiz gingen. Und siehe da: Unter den eidgenössischen Sammlern waren tatsächlich alle Sticker nahezu perfekt gleichmäßig verteilt…
Kommentare
Kommentar veröffentlichen