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IRRTUM: Auf Aaron Ramsey liegt ein Torfluch

 Pünktlich zu Halloween widmen wir uns einer der unheimlichsten aktuellen Fußballmythen:

Um den ehemaligen walisischen Nationalspieler Aaron Ramsey hat sich ein bizarres Internet-Gerücht gebildet, wahlweise als kurioser Zufall oder gar als gefährlicher Fluch dargestellt: Wann immer Ramsey ein Tor erzielt, stirbt ein Prominenter!

Im Internet finden sich zahlreiche Listen von „Ramsey-Opfern“, die meist etwa so aussehen:

 

„Es begann im Oktober 2009. Aaron Ramsey vom FC Arsenal erzielt ein Ligator, zwei Tage später stirbt Andres Montes, der Journalist, der den Begriff „tiki-taka“ erfand. Im Mai 2011 verwandelt er gegen Manchester United; am nächsten Tag wird Osama bin Laden getötet. Im Oktober desselben Jahres trifft Ramsey für Arsenal gegen Tottenham. Drei Tage später stirbt Steve Jobs. Im selben Monat erzielt Ramsey auch ein Tor gegen Marseille – am nächsten Tag wird Muammar Gaddafi erschossen. Im Februar 2012 trifft er gegen Sunderland, kurz darauf stirbt Whitney Houston. Im November 2013 stirbt Paul Walker kurz nach einem Ramsey-Treffer gegen Cardiff; dem Selbstmord von Robin Williams im August 2014 geht ein Tor von Ramsey gegen Manchester City voraus. Im Januar 2016 folgen auf Ramseys Treffer gegen Sunderland und Liverpool die Todesfälle von David Bowie und Alan Rickman. Einem Tor gegen Tottenham im März 2016 folgt der Tod von Nancy Reagan. Im Mai 2017 erzielt Ramsey ein Tor gegen Everton, zwei Tage später stirbt Roger Moore. Ein Tor gegen AC Mailand im März 2018 wird einige Tage später vom Ableben von Stephen Hawking gefolgt. Im September gelingt Ramsey ein Treffer für Wales, am selben Tag stirbt Burt Reynolds. Nach Ramseys Tor im März 2019 sterben Keith Flint und Luke Perry. 2022 trifft Ramsey für seinen neuen Club Nizza gegen Toulouse, einen Tag später stirbt Olivia Newton-John. Im September 2023 ist Ramsey, mittlerweile in Diensten von Cardiff City, gegen Ipswich erfolgreich; zwei Tage später segnet Smash-Mouth-Sänger Steve Harwell das Zeitliche.“

 

Was soll man daraus nun machen? Fluch oder gruseliger Zufall?

Ramsey selbst hat dazu eine ganz eigene Meinung: „Die Leute sterben, nachdem ich ein Tor geschossen habe – das ist das lächerlichste Gerücht, dass ich je gehört habe. Es gab genügend Gelegenheiten, bei denen ich getroffen habe und keiner gestorben ist.“.

Ganz Unrecht hat er nicht: Für gerade einmal 27 seiner über 80 Karrieretore haben Internetdetektive einen passenden Prominententod gefunden.

Aber das ist nicht der eigentliche Grund, aus dem man das Gerücht von Ramseys Torfluch zu den Akten legen kann und nicht einmal einen nennenswert beeindruckenden Zufall attestieren muss. Wer sich die oben aufgeführte „Todesliste“ mal ganz unaufgeregt ansieht, merkt es vielleicht selbst:

Erstens ist die Definition von „Prominenz“ hier sehr weit gefasst. Von Schauspielern und Sängern über Politiker bis hin zu Terroristen ist alles dabei. Einige Namen sagen den meisten Menschen ohne Erklärung auch nicht viel – Andres Montes als großen Prominenten zu werten, ist schon grenzwertig.

Zweitens wird relativ großzügig mit der Zeit zwischen Tor und Tod umgegangen. Manche der Promis starben schon am selben Tag, an dem Ramsey traf, andere erst drei Tage später. In manchen Fällen heißt es in den gängigen Listen auch nur „wenig später“ oder „kurz darauf“, bisweilen aus gutem Grund: Zwischen Ramseys Tor gegen Mailand am 8. März 2018 und Stephen Hawkings Tod am 14. März beispielsweise liegt gut eine Woche – da noch einen Zusammenhang sehen zu wollen wirkt schon sehr konstruiert.

 

Kurz: Der vermeintliche Fluch lässt sich in Wirklichkeit zusammenfassen als: „Etwa jedes dritte Mal, das Ramsey trifft, stirbt innerhalb der nächsten Woche jemand, den man zumindest vage als ‚Prominenten‘ bezeichnen könnte.“

Wo ist da noch der unheimliche Zufall, der einen Fluch nahelegen würde? Es gibt so viele Menschen, die auf diese Weise als „prominentes Opfer des Torfluches“ gewertet werden könnten, dass es eher überrascht, dass bisher nicht für alle Ramsey-Tore eines gefunden werden konnte – schließlich sterben fast jeden Tag Menschen, deren Namen man schon mal gehört haben könnte, mit oder ohne Ramsey-Tor.   

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