Im ansonsten sehr einfachen Fußballregelwerk gilt die Abseitsregel als die große Ausnahme, die eine kaum verständliche Vorschrift. Eine regelrechte Geheimwissenschaft, an deren Verständnis die wahren Experten zu erkennen sind. Ebenjene „Experten“ erklären das Abseits gerne kompliziert und umständlich, oft mit dem berüchtigten Verschieben von Salz- und Pfefferstreuer auf dem Esstisch.
Aber in Wirklichkeit ist die Abseitsregel banal einfach zu erfassen. Man muss eigentlich nur drei Dinge wissen:
1. Ein Spieler ohne Ball steht im Abseits, wenn sich zwischen ihm und dem gegnerischen Tor weniger als zwei gegnerische Spieler befinden.
2. Der entscheidende Zeitpunkt ist der Moment, in dem der Ball nach vorne gespielt wird. Ist der Ball bereits unterwegs und ein Spieler läuft hinter die gegnerische Abwehr, um ihn zu erlaufen, ist das kein Abseits.
3. Eine Abseitsstellung wird nur abgepfiffen, wenn der betreffende Spieler ins Spiel eingreift.
Das ist wirklich schon alles[1]. Ist das denn so schwer zu verstehen? Natürlich nicht. Woher kommt also der Ruf der Abseitsregel, so kryptisch zu sein?
Zunächst einmal ist Abseits zwar leicht theoretisch zu verstehen, aber oft schwer praktisch zu erkennen. In vielen Fällen geht es um Sekundenbruchteile – „War der Spieler wirklich schon beim Abspiel im Abseits oder erst einen winzigen Moment später?“ –, Millimeter – „War die Fußspitze des Spielers nun wirklich im Abseits?“ – oder sogar Interpretation – „Hat der im Abseits stehende Spieler ins Spiel eingegriffen, indem er einem Gegenspieler die Sicht nahm oder den Laufweg versperrte?“.
Zweitens wird Abseits oft extrem schlecht erklärt. Nicht nur von den Salzstreuer-Verschiebern. Es kann wirklich interessant sein, einen Blick in Fachbücher zu werfen und zu staunen, wie kompliziert und verquast vermeintliche Fachmänner „Zwischen dem Angreifer und dem Tor müssen sich zwei Gegenspieler befinden“ zu formulieren in der Lage sind.
Und drittens speist der Ruf sich sozusagen selbst. Viele Menschen, die gehört haben, die Abseitsregel sei schwer zu verstehen, sagen von vornherein „Aber Abseits versteh‘ ich einfach nicht“, statt sich mal kurz zu informieren. Diejenigen, die die Regel verstanden haben, gefallen sich natürlich in der Rolle des „Experten“ und befördern den Mythos ebenfalls gerne weiter.
[1] Abgesehen von ein paar ergänzenden, aber auch nicht allzu schwer zu verstehenden Regeln, z.B.: In der eigenen Spielhälfte kann man nicht im Abseits stehen, ebenso wenig bei einem Einwurf, Eckball oder Abstoß. Oder: Es ist nur Abseits, wenn der Ball nach vorne (also in Richtung gegnerisches Tor) gespielt wird; ein noch weiter vorne stehender Spieler kann also einen im Abseits stehenden Spieler anspielen, wenn der Ball dafür nach hinten gespielt wird.
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