Ein Angreifer läuft aufs leere Tor zu, als er von einem Verteidiger umgerempelt wird. Der Schiri zeigt dem Rempler die Rote Karte. Und schon geht das Geschrei in den sozialen Medien los. Das war doch nie im Leben Rot! Und die Fans können es auch beweisen. Denn wenn man auf einer Panorama-Übersicht der Szene eine gerade Linie anlegt, dann kann man ganz klar sehen, dass da noch ein weiterer Verteidiger zwischen Angreifer und Torlinie stand – da, ganz am Rand, abseits der eigentlichen Spielszene. Der des Feldes verwiesene Spieler war also gar nicht der letzte Mann! Und Rot gibt es ja wohl nur, wenn der letzte Mann foult – oder?
Die Vorstellung, dass es für die Entscheidung über eine rote Karte absolut entscheidend ist, ob ein foulender Spieler der letzte Feldspieler zwischen Angreifer und Tor war, ist enorm weit verbreitet. In den sozialen Medien wird da, wie erwähnt, mit Fotos aus allen Winkeln und Linien auf Übersichtsfotos argumentiert, aber auch Kommentatoren zeigen oft übermäßiges Interesse daran, ob ein Spieler „letzter Mann“ war oder nicht. Und selbst Spieler und Trainer greifen bei der Schiedsrichterschelte nach dem Spiel immer wieder auf diese Idee zurück.
Aber es gibt keine „Letzter Mann“-Regel.
Die Fußball-Regeln nennen als eines der Vergehen, die zu einem Platzverweis führen: „Verhindern eines Tors oder Vereiteln einer offensichtlichen Torchance des Gegners, dessen Gesamtbewegung auf das Tor des Täters ausgerichtet ist, durch ein Vergehen, das mit einem Freistoß zu ahnden ist“.
Von der genauen
Positionierung des „Täters“ im Verhältnis zu seinen Mannschaftskameraden ist
hier keine Rede. Wichtig ist, ob es ein freistoßwürdiges Foul war und ob ein
Tor oder eine offensichtliche Torchance verhindert wurde. Mehr nicht.
Woher kommt dann aber die allgemeine Fixierung auf den letzten Mann?
Nun, völlig bedeutungslos ist die Position der Abwehrspieler natürlich nicht. Denn wie beurteilt der Schiedsrichter, ob vor einem Foul eine „offensichtliche Torchance“ vorlag? Die Regeln bieten dafür folgende Anhaltspunkte an:
„• Distanz zwischen Ort des Vergehens und Tor
• allgemeine Richtung des Spiels
• Wahrscheinlichkeit, in Ballbesitz zu bleiben oder zu kommen
• Position und
Anzahl der Verteidiger“
Die Position der Verteidiger untereinander ist also einer der Aspekte, die in die Entscheidung des Schiedsrichters einfließen (können). In der Praxis bedeutet das: Läuft ein Spieler wie in unserer Beispielszene am Anfang aufs leere Tor zu und wird gefoult, rettet ein irgendwo auf der anderen Seite des Spielfelds postierter Mitspieler den Täter nicht vor der verdienten roten Karte – der Schiedsrichter wird die Szene trotzdem als offensichtliche Torchance bewerten. Umgekehrt muss auch der letzte Mann etwa bei einem Foul an der Eckfahne oder wenn der Torwart den Ball schon fast in den Händen hat, nicht zwingend mit Rot bestraft werden.
In aller Regel ergibt sich aber nunmal eine Torchance, wenn der letzte Mann überwunden ist – und so ist die Frage „Letzter Mann oder nicht“ oft von großer Bedeutung. Eine feste Vorschrift ist der Platzverweis für den „letzten Mann“ aber nicht.
Quellen: Deutscher Fußballbund: Fußball-Regeln 2023/2024, s.80f. (https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/287914-AU2300707_PL_Broschuere.pdf); https://de.wikipedia.org/wiki/Notbremse_(Fu%C3%9Fball); https://www.spox.com/fussball/listen/regeln-notbremse-doppelbestrafung-wann-rote-gelbe-karte-elfmeter-foul/3723635#cs329eca215509a645
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