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IRRTUM: Berti Vogts war ein besonders erfolgloser Bundestrainer

 

Hans-Hubert „Berti“ Vogts war von 1990 bis 1998 deutscher Bundestrainer. Schon damals hatte er einen schweren Stand, war immer Zielscheibe von Witzen und Parodien (man denke nur an Stefan Raabs Durchbruch-Single „Böörti Böörti Vogts“ von 1994) und wurde auch von den Medien hart angegangen – einmal veröffentlichte die BILD-Zeitung ein fiktives „Rücktrittsschreiben“ für ihn, verbunden mit der Aufforderung „Hier unterschreiben!“ Bis heute wird die Ära Vogts in Rückblicken eher als dunkle Zeit des deutschen Fußballs betrachtet.

Aber ist das fair? Zwar waren die beiden WMs unter Vogts Ägide Enttäuschungen – 1994 schied Deutschland im Viertelfinale gegen Bulgarien aus, 1998 ebenfalls im Viertelfinale gegen Kroatien. Doch immerhin wurde das Vogts-Team 1996 überraschend Europameister; 1992 hatte man bereits die Vizeeuropameisterschaft eingefahren. Mehr als einen Titel bei WM oder EM zu holen, ist nur einem einzigen deutschen Nationaltrainer gelungen – Helmut Schön führte das DFB-Team 1972 zum EM- und 1974 zum WM-Triumph. Sepp Herberger, Franz Beckenbauer und Joachim Löw, die meist wesentlich stärker eingeschätzt werden als Vogts, holten alle drei auch „nur“ jeweils einen WM-Titel. Herberger schaffte das in 28 Jahren als Bundestrainer, Löw in fünfzehn Jahren – Vogts schaffte seinen einen Titel in nur acht Jahren. An Beckenbauers WM-Titel 1990 war er zudem als Co-Trainer maßgeblich beteiligt, fast alle Spieler des Kaders waren von Vogts entdeckt und/oder gefördert worden[i]. Als Titelsammler steht Berti Vogts der Konkurrenz also in nichts nach.

Und die Betrachtung aller Spielergebnisse wird sogar noch deutlicher: Von den 102 Spielen, die Deutschland unter seiner Führung bestritt, gewann man 66 und holte 24 Unentschieden – das ergibt einen Punkteschnitt von 2,18 pro Spiel. Damit ist Vogts der erfolgreichste deutsche Nationaltrainer aller Zeiten!

 

PUNKTESCHNITT ALLER EHEMALIGEN BUNDESTRAINER (NACH DREIPUNKTE-REGEL)[ii]

Platz

Name

Punkteschnitt

1.

Hans-Hubert Vogts

2,18

2.

Jupp Derwall

2,15

3.

Helmut Schön

2,10

4.

Joachim Löw

2,08

5.

Jürgen Klinsmann

2,0

6.

Otto Nerz

1,91

7.

Franz Beckenbauer

1,89

8.

Sepp Herberger

1,87

9.

Rudolf Völler

1,85

10.

Hans-Dieter Flick

1,72

11.

Erich Ribbeck

1,50

 

Berti Vogts ist in Deutschland weniger an seinen Fähigkeiten und den eingefahrenen Ergebnissen gescheitert als an der unverdient schlechten öffentlichen Meinung über ihn. Wie er selbst einmal so treffend bemerkte: „Wenn ich übers Wasser gehen würde, dann würden sie alle sagen: Nicht mal mehr schwimmen kann er!“



[i] Hars 2005, S. 81

[ii] https://www.sport.de/diashow/sl8144/nationalmannschaft-so-viele-punkte-holten-die-bundestrainer-im-schnitt/

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