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Es werden Posts vom April, 2024 angezeigt.

IRRTUM: Weitschüsse lohnen aufgrund der geringen Erfolgsquote nicht

  Manche Irrtümer sind eher unter Fachleuten verbreitet als unter Laien. Dazu gehört die falsche Annahme, Weitschüsse seien aufgrund der geringen Trefferquote dringend zu vermeiden. Viele moderne Trainer, darunter zum Beispiel Pep Guardiola, möchten von ihren Teams möglichst keine Schüsse von außerhalb des Strafraums sehen. Guardiola hätte den am Ende sieg- und titelbringenden Weitschuss seines Spielers Vincent Kompany im Premier-League-Spiel gegen Leicester City 2018/2019 am liebsten verhindert. „Nicht schießen, passen!“, ging ihm nach eigener Aussage in den entscheidenden Sekunden durch den Kopf. Zu Unrecht, nicht nur in dieser Situation. Die Abneigung gegen Weitschüsse (definiert als Torschüsse von außerhalb des Strafraums) im modernen Fußball entspringt einer unzureichenden Statistikanalyse. Laien überschätzen Weitschüsse in der Regel. Jeder hat irgendein spektakuläres Tor von weit draußen im Kopf, und so herrscht die Ansicht vor, „einfach mal draufzuhalten“ bringe besondere ...

IRRTUM: Es gibt keine Kleinen mehr

  „Es gibt keine Kleinen mehr“, behauptete Rudi Völler einst mehrfach und meinte damit: Die klassische Zwergen-Nationalmannschaft, nur aus Amateuren bestehend, die von den „großen“ Teams einfach weggehauen wird, findet man dank der zunehmenden Professionalisierung nicht mehr. Ein bisschen was Wahres ist ja sogar dran an diesem gerne zitierten Spruch: Auch die „kleineren“ Nationalmannschaften werden heute professionell trainiert und vorbereitet, verfügen über ein gewisses taktisches Verständnis und setzen eingespielte Akteure ein, statt wie einst spontan Leute von der Straße aufzupicken und aufzustellen – zumindest in Europa (vor allem in den karibischen und ozeanischen Inselwelten ist die Professionalisierung der Nationalteams noch nicht so weit vorangeschritten). Und manche ehemaligen Punktlieferanten sind heutzutage schwer zu bespielen, fahren sogar echte Erfolge ein – man sehe sich Island an, das sich nach Jahren als Witzmannschaft zwischenzeitlich sogar für EM und WM qualif...

IRRTUM: Es spielt keine Rolle, ob Nationalspieler vor dem Spiel die Hymne mitsingen

  Als Deutschland bei der EM 2012 auf Italien traf, waren die Jungs von Jogi Löw leichter Favorit. Aber kurz vor dem Spielbeginn überkam viele Fans eine böse Vorahnung, und der Tenor in den sozialen Medien änderte sich plötzlich von „Das gewinnen wir“ zu „Das wird haarig“. Manch einem Fan mag plötzlich die schlechte Statistik der Deutschen gegen Italien wieder in den Sinn gekommen sein; andere waren entsetzt über die Aufstellung, die Löw gewählt hatte (so ging es auch mir und dem Kumpel, mit dem ich das Spiel schaute). Aber viele beschlich ein ungutes Gefühl, als sie die Darbietung der beiden Nationalhymnen sahen: Während die deutschen Spieler den Text bestenfalls ein bisschen vor sich hinmurmelten – einige sangen gar nicht –, schmetterte die Squadra Azzura ihre Hymne mit Inbrunst heraus. Nachdem die Deutschen dann 1:2 verloren hatten, wurde mehr über die Gesangsleistung diskutiert als über Jogi Löws taktische Fehler. Spätestens seitdem ist es in sozialen Medien ein gewohntes Bil...

IRRTUM: Teams in Unterzahl sind besonders gefährlich

  Jeder Fußballfan kennt das Klischee, und jeder Fußballfan erinnert sich an mindestens ein Spiel, in dem es zutraf: Ein Team wird durch eine Rote Karte dezimiert und bäumt sich plötzlich auf, wird stärker als vor dem Platzverweis. Erklärt wird das gerne mit einer „Jetzt erst recht!“-Haltung, die die Spieler aufputscht und zu Glanzleistungen treibt. Die Strafe des Platzverweises als Vorteil? Kann das sein? Nein, natürlich nicht. Das ist eine dieser Fußballmythen, bei denen man sich eigentlich schon denken kann, dass sie auf gut in Erinnerung gebliebenen Einzelfällen basieren, statistisch aber Unfug sind. Eine Mannschaft, die früh in Unterzahl gerät, wird das Spiel in aller Regel verlieren. 2018 sammelte Stan Ivanov Daten aus den ersten Ligen Englands, Spaniens und Italiens und kam zu dem Resultat: Die Wahrscheinlichkeit eines Heimsieges in diesen Ligen liegt bei 47,8%. Sieht das Auswärtsteam eine rote Karte, steigt sie auf 57,5%. Richtig massiv wirkt sich eine rote Karte für das ...

IRRTUM: Früher gab es keinen Frauenfußball, und in Deutschland war er sogar verboten

  Frauenfußball, das ist doch auch nur wieder einer von diesen modernen Ticks. Ein weiterer Versuch von Frauen, im Sinne der Gleichberechtigung auf Teufel komm raus in eine Männerdomäne vorzudringen. Früher hätte es sowas nicht gegeben! Da standen die Frauen noch schicklich hinter dem Herd, oder bestenfalls schmachtend am Spielfeldrand, während ihre Männer um sportlichen Ruhm kämpften. So erinnert sich jedenfalls so mancher Herr der Schöpfung. Aber natürlich ist Frauenfußball so alt wie der Fußball selbst. Schon direkt nach der Festlegung der modernen Fußballregeln und der Einführung des Fußballs als Schulsport in England 1863 wurde der Sport auch von Schülerinnen gespielt – und sicherlich waren auch nach der Schule Mädchen in den Parks und Hinterhöfen am Ball. Das erste heute sicher bekannte organisierte Frauenfußballspiel war dann gleich ein Länderspiel: Anfang Mai 1881 spielten, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt und heute fast völlig vergessen, in Edinburgh Damen aus Engla...

IRRTUM: Die deutsch-englische Fußballrivalität wird nur in England wahrgenommen

  Bisweilen taucht die Behauptung in den Medien auf, die besondere Fußballrivalität zwischen Deutschland und England werde eigentlich nur in England wahrgenommen. Die deutschen Fans sähen England nicht als besonderen Gegenspieler, Erzrivale seien schließlich traditionell die Niederlande. Mit dem Blick auf die Artikel, die vor oder nach einem Spiel zwischen England und Deutschland zuverlässig in denselben Medien erscheinen, oder auch in die Kommentare in den sozialen Medien kann man diese absurde Behauptung umgehend ad acta legen – natürlich empfinden auch die Fußballfans in Deutschland eine besondere Rivalität gegenüber England. Dass traditionell die Niederlande der Erzrivale Deutschlands sind, ist zwar korrekt, macht aber keine Aussage über die Rivalität zu den Engländern; selbstverständlich kann man mehr als einen besonderen Rivalen haben. Deutschland ist ja auch nicht Englands traditioneller Erzrivale, das wäre Schottland. Vor der WM 2022 befragte Statista Fußballfans in E...

IRRTUM: Lukas Podolski sagte "Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel!"

 Fußballsprüchesammlungen schreiben dem ehemaligen deutschen Nationalspieler Lukas Podolski immer wieder die Aussage zu: "Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel!" Oft wird sie als Beispiel herangezogen, dass Fußballer im Allgemeinen oder Podolski im Speziellen nicht die hellsten Kerzen auf dem Leuchter seien. Aber Podolski hat diesen Spruch nie gesagt. Er stammt vom Satiriker Jan Böhmermann [i] , der 2001 im Hörfunkprogramm des WDR in einer Comedy-Reihe namens „Lukas Tagebuch“ auftrat [ii] und in diesem Rahmen auch den berühmten Satz tätigte - in der Rolle als Lukas Podolski. [i] https://kurier.at/leben/no-sports-stammt-gar-nicht-von-winston-churchill/292.846.635 [ii] https://www.berliner-zeitung.de/sport-leidenschaft/lukas-podolski-und-jan-boehmermann-vertragen-sich-ueber-twitter-li.9876

IRRTUM: Das WM-System ist nach der WM benannt

  Das WM-System war ein damals revolutionäres Spielsystem, das in den frühen 30ern entwickelt wurde – pünktlich zu den ersten Fußball-Weltmeisterschaften. Seinen Namen hat es also, weil es speziell für die WM entwickelt wurde oder dort erstmalig Aufsehen erregte. Nicht wahr? Leider nein. Das WM-System heißt so, weil die Spieler auf dem Feld (oder zumindest auf der Taktiktafel) ein großes W und ein großes M bilden. Heute würde man von einem 3-2-2-3-System sprechen. Die Offensive bildet das W: Hinter den drei Stürmern stehen zwei Halbstürmer. In der Defensive stehen zwei sogenannte Außenläufer (die aber nach heutigem Spielverständnis eher Sechser sind) und dahinter drei Verteidiger (deren mittlerer als „Mittelläufer“ bezeichnet wird) – das M [i] . Erfunden wurde das System übrigens, wie so viele Revolutionen des frühen Fußballs, in England – wo es auch als W-M formation bezeichnet wird [ii] , obwohl die WM auf Englisch bekanntlich World Cup heißt und nicht „WM“ abgekürzt wird… ...

IRRTUM: Die deutsche Nationalmannschaft hat schon immer Adidas-Trikots getragen

 Die Ankündigung des DFB im März 2024, ab 2027 auf den amerikanischen Sportartikelhersteller Nike als neuen Trikotausrüster der Nationalmannschaft zu setzen, sorgte für einen Sturm der Entrüstung unter den Fans. Was für ein unverzeilicher Bruch mit den Traditionen! Denn schließlich, so war schnell vielerorts zu lesen, hatte die deutsche Nationalmannschaft bisher immer in Adidas-Trikots gespielt und war mit diesen immerhin viermal Weltmeister geworden! Aber das ist nicht wahr. Das erste Länderspiel bestritt Deutschland im Jahre 1908. Damals gab es noch keine professionellen Ausrüster, wo genau die Trikots seinerzeit herkamen, ist nicht mehr festzustellen. So blieb die Situation mehr als vierzig Jahre lang. 1949 wurde Adidas gegründet und stattete auch bald die deutsche Nationalmannschaft aus - allerdings zunächst nur mit Schuhen. Trikots produzierte Adidas zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht. Erster fester Trikotausstatter des DFB-Teams wurde 1950 die Firma Leuzela (auch bekannt als...